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L'Abominable

 

Das erste Gespräch führten wir mit dem l’Abominable, ein kollektives Filmlabor und offene Werkstatt, in der Film entwickelt, bearbeitet, montiert und kopiert werden kann. Dafür hat das Laborkollektiv Maschinen instand gesetzt, die aufgrund der Digitalisierung der Filmindustrie freigesetzt wurden. Das Labor ermöglicht es Filmemacher*innen, die Arbeit mit dem Material wieder selbst in die Hand zu nehmen und somit eine gewisse Autonomie im Produktionsprozess zu erlangen. Das Gespräch behandelt den Aufbau einer offenen Struktur, Fragen der Selbstorganisation und der Arbeit jenseits von Verwertung.



Coordination des Intermittents et Précaires Île de France

 

Das folgende Gespräch führte Nicolas Rey vom l’Abominable mit Mitgliedern der Coordination des Intermittents et Précaires, Île de France (CIP).
Seit den 60 er Jahren gibt es in Frankreich eine spezielle Arbeitslosenversicherung für Film- und Theaterschaffende. Sie gewährleistet Techniker*innen wie Künstler*innen bei diskontinuierlicher Arbeit ein Mindesteinkommen und die fortlaufende Zahlung von Sozialbeiträgen. Diese Versicherung dient traditionell dazu, die „Zwischenzeiten“ als Denk- und Recherchezeit zu nutzen oder unabhängige Projekte zu realisieren, die keine ausreichende Finanzierung haben. Zum großen Teil verdankt sich die ausgedehnte freie französische Film- und Theaterszene dieser Regelung. Als 2003 die Bedingungen für die Anerkennung als IntermittentE stark verschärft wurden, bildete sich mit der „Coordination des Intermittents et Précaires“ eine Vereinigung, die nicht nur gegen die Beschneidung von Privilegien der „Kreativen“ anging, sondern die Lage aller prekär Beschäftigten zum Thema machte. Mit spektakulären Aktionen wie der Erstürmung der 8 Uhr-Nachrichten im französischen Fernsehen gelang es ihnen, eine breite Öffentlichkeit in die Diskussion über prekäre Arbeitsverhältnisse und mögliche Alternativen einzubeziehen.

 


Die Kooperativen Placido Rizzotto und Pio La Torre

 

Zwei Mitglieder der Coordination des Intermittents et Précaires sind für das nächste Treffen mit uns nach Sizilien gefahren. Mit zwei Agrargenossenschaften sprechen sie über die Bedeutung der Kooperativen beim Aufbau einer legalen Wirtschaft und geregelter Arbeitsbedingungen als Gegenpol zu den mafiosen Strukturen, die die Wirtschaft und Gesellschaft Siziliens immer noch dominieren.
Beide Kooperativen, Placido Rizzotto und Pio La Torre, wurden auf der Grundlage eines erst 1996 verabschiedeten Gesetzes gegründet, das die Nutzung der von Mafiamitgliedern konfiszierten Vermögen und Grundstücke durch soziale Kooperativen ermöglicht. Sie können die ihnen zugeteilten Böden auf 30 Jahre unentgeltlich nutzen, müssen aber in einem kulturell schwierigen Umfeld, in direkter Nachbarschaft mit Angehörigen der Mafia, arbeiten und gleichzeitig betriebswirtschaftlich, nach den Bedingungen des Weltmarktes für landwirtschaftliche Erzeugnisse, bestehen.


Sozialkooperative I Sicaliani


Ein weiteres Treffen auf Sizilien fand mit der Frauenkooperative I Sicaliani statt. In der Altstadt Palermos betreiben I Sicaliani eine öffentliche Ludoteca, ein Ort, der allen Kindern der Stadt kostenlos offen steht. Bei seiner Gründung als geschützte Zone für Kinder aus dem verarmten Stadtviertel gedacht, die dort die Möglichkeit haben sollten, sich über das Spielen alternative Wege der Kommunikation außerhalb mafioser Jugendkultur zu eröffnen, bietet die Ludoteca nach Jahren einer verstärkten Gentrifizierung des Viertels einen Ort für die Integration von Kindern aus sehr unterschiedlichen Schichten.
Serafina Moncada und Rosa Perone erzählen von der wechselhaften Geschichte der ältesten Anti-Mafia-Kooperative Palermos, dem Kampf um die Finanzierung sozialer und kultureller Projekte und der Selbstausbeutung als Konsequenz staatlicher Förderungspolitik.


Freie Schule am Mauerpark


Teil 5 der Serie beschäftigt sich mit Idee und Wirklichkeit von Freien Alternativ-Schulen. Wir haben versucht das Spannungsfeld auszuloten, in dem sich Freie Alternativschulen bewegen: Auf der einen Seite stellen sie einen emanzipatorischen Ort für Bildung her, der das staatliche Schulsystem radikal in Frage stellt. Auf der anderen Seite wenden sie sich in erster Linie an die alternativen Eliten, die es sich leisten können, Schulgeld zu bezahlen. Serafina Moncada von den Sicaliani in Palermo diskutierte mit Kindern und Lehrer*innen darüber, was Freie Schule und selbstbestimmtes Lernen bedeuten, wie die Kinder den Alltag an der Schule mitgestalten und ob und wie die Freie Schule gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Parallel zum Gespräch sehen wir Kindern und Lehrer*innen im Schulalltag zu, bei der wöchentlichen Schulversammlung, auf der direkte Demokratie geübt wird und beim Lernen, das sich nicht auf die klassischen Fächer beschränkt.



Teil 6: 9to5, Lux & Konsorten und die Vielen

Im 6. Teil der Kette wird das Kollektiv durchlässig. Lehrer*innen der Freien Schule sprechen mit Mitgliedern der Hamburger Gruppe „9to5“ über politische Arbeit aus der eigenen Perspektive und Erfahrungen mit gesellschaftlicher Mobilisierung zu Prekarität, Autonomie und Grundeinkommen. Ausgehend von ihren politischen Aktionen und Untersuchungen verlagern „9to5“ ihren Fokus und verbinden sich mit anderen Gruppierungen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Raum für Arbeit und politische Organisierung in kollektiver Hand im Herzen der Stadt. Der Film gibt einen Einblick in die Praxis politischer Arbeit, die Vorbereitung und Umsetzung von unkonventionellen Aktionen im Stadtraum, von Demonstrationen bis zu Besetzungen. Er zeigt aber auch den Hintergrund einer von Investoreninteressen geprägten städtischen Großplanung in Hafencity und der neuen Mitte Altona.



Krytyka Polityczna (Politische Kritik)

(Nicht Teil der Serie)

Mitglieder von ninetofive und Euromayday Hamburg führen eine kontroverse Diskussion mit Krytyka Polityczna aus Warschau. In einem anderen kulturellen Kontext und mit anderen Werkzeugen verfolgt Krytyka ein durchaus vergleichbares Projekt, nämlich möglichst viele Menschen für einen gesellschaftlichen Wandel zu mobilisieren.

Die Gruppe hat sich 2002 mit der Herausgabe der gleichnamigen Zeitschrift gegründet. Seitdem haben sich die Aktivitäten und Mitglieder vervielfacht. In Warschau und vielen anderen polnischen Städten sind offene Zentren entstanden, in denen kulturelle und politische Veranstaltungen stattfinden.

Während die Hamburger*innen davon ausgehen, dass die Situation des Prekariats im neoliberal gelenkten Staat überanalysiert ist, und für ihre politischen Forderungen von der eigenen Situation ausgehen, versuchen die Warschauer*innen, zunächst die sprachlichen Grundlagen für eine Analyse der polnischen Gesellschaft nach 20 Jahren Transformation zu legen und Veränderung über die Einführung eines kritischen Diskurses in der Öffentlichkeit zu bewirken.

 

 

Territorio Domestico / 9ième Collectif des Sans Papiers

(Nicht Teil der Serie) 

Nach dem Treffen in Warschau gibt es einen Bruch in der Kette der Interviews, da sich zwischen Polen und dem 9ième Collectif des Sans Papiers kein Link ergeben hat. Stattdessen haben wir einen Erfahrungsaustausch zwischen dem 9ième Collectif und einer Gruppe von Hausangestellten, Territorio Domestico, aus Madrid organisiert, denen wir bereits bei der Recherche begegnet waren. Die Frauen der Gruppe Territorio Domestico sind in der überwiegenden Mehrheit Migrantinnen, viele haben keine Aufenthaltsgenehmigung. Neben wöchentlichen Treffen bieten sie neuen Mitgliedern Beratung und rechtliche Unterstützung und machen durch öffentliche Auftritte auf ihre Situation und die Notwendigkeit gesetzlicher Anerkennung aufmerksam.

 

Das 9ième Collectif des Sans-Papiers in Paris ist eine der aktivsten Gruppen für die Rechte von Migrant_innen und Papierlosen in Frankreich. Dem 9ième Collectif gelingt es mit einem harten Kern und einer großen, sich in ihrer Zusammensetzung ständig wandelnden Gruppe von Betroffenen und Unterstützer_innen, mit regelmäßigen Aktionen so viel Druck auf Regierung und öffentliche Verwaltung auszuüben, dass Einzelne oder auch Gruppen Papierloser legalisiert werden konnten. In ihren Aktionen machen sie immer wieder auf die Rolle der Papierlosen als billige Arbeitskräfte z.B. in Pariser Restaurants aufmerksam, die von Arbeitgebern aufgrund ihres illegalen Status ungeniert ausgebeutet werden. Ihr Ziel ist die Legalisierung aller Papierlosen, als Grundlage für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsverhältnisse.

 

 

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Die Interviewkette